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E-Books und Barrierefreiheit: Zugang zur Bücherwelt

Zusammen mit den blinden Bloggerinnen Eva und Olivia thematisiere ich in diesem Artikel die Barrierefreiheit von E-Books. Wir zeigen, inwiefern das E-Book unser Leseleben in großen Teilen vereinfacht. Natürlich gehen wir aber auch auf die Haken und Punkte ein, die dabei noch verbessert werden sollten.

Arnaud Nourry ist CEO von „Hachette Livre“, einer der fünfgrößten englischsprachigen Verlage. In einem Interview hat er eine krasse These zum Medium „E-Book“ aufgestellt. Er vertritt die Ansicht, dass das E-Book ein dummes Produkt sei, weil es keine Verbesserungen gegenüber dem gedruckten Buch hätte.

Uff. Ich gebe ihm insoweit recht, als dass das E-Book seine Möglichkeiten als digitales Medium noch kaum ausgeschöpft hat. Die Aussage aber, dass E-Books keine Verbesserungen bieten, ist einfach falsch. Besonders in einem Bereich hat das E-Book seinem Papierkollegen schon längst überholt: Barrierefreiheit.

E-book-Reader steht zwischen Papierbüchern. Eine Ecke des Bildschirmes ragt hervor.

credit: cc – flickr: Jamais Cascio – http://ow.ly/1fdK30iykDO

 

Für mich als Leserin mit einer körperlichen Behinderung, die sowohl Arme als auch Beine betrifft, bieten E-Books eine Lesefreiheit an, die mir ein gedrucktes Buch nie geben könnte. Schon alleine der Fakt, dass das E-Book keinen physikalischen Raum einnimmt, ist für mich eine große Erleichterung. Ich brauche sein Gewicht nicht halten und  es nicht umblättern. Es kann mir nicht so schnell herunterfallen oder irgendwo stehen, wo ich gerade nicht dran komme. Wie sehr dies meinen Lesealltag vereinfacht, habe ich schon einmal in einem älteren Beitrag genauer beschrieben.

E-Books für blinde Menschen: barrierefreier Zugang zur Literatur

Während E-Books mein Leseleben vereinfachen, stellen sie für eine andere Gruppe von Menschen einen Hauptzugang zu Büchern und Literatur dar. Blinde Menschen oder Menschen mit Seheinschränkungen können kaum bis gar nicht auf Papierbücher zurückgreifen und sind auf andere Formate wie Hörbücher oder E-Books angewiesen.
Die blinde Bloggerin Eva Papst von „Aus meiner Feder“ hat früher Bücher in Brailleschrift produziert. Was sich durch die E-Books für sie geändert hat, beschreibt sie so:

„Ich würde sagen, dass mir durch die Erschließung des digitalen Buchs die Tür zur Welt des Buches erst richtig geöffnet wurde. Die Erzeugung von Büchern in Brailleschrift ist zeitaufwändig und kostspielig und die Bücher sind unglaublich voluminös. Es kann daher nur ein Bruchteil des Literaturangebots in Brailleschrift produziert werden, und das meist stark zeitverzögert.“

Barrierefreiheit beim Lesen: Braille-Zeilen und Sprachausgaben

Durch die E-Books können blinde Menschen wie Eva nun jederzeit auch Neuerscheinungen lesen. Eigentlich müsste ich an dieser Stelle das Wort „lesen“ dreimal unterstreichen. Zu Beginn meiner Recherchen dachte ich daran, dass blinde Menschen vor allem durch Sprachausgaben von Programme bzw. E-Readern profitieren. Gleich zu Anfang unserer Unterhaltung nahm mir Eva den Wind aus den Segeln, indem sie erzählte, dass sie viel lieber lese als höre. Eine Braille-Zeile macht das möglich:

„Grundsätzlich kann jeder digitale Text (sofern es wirklich Text und nicht bloß ein Foto von Text ist) auch in Brailleschrift dargestelltwerden. Am PC geschieht das mit einem Braille-Display, auch Braille-Zeile genannt. Zeile deshalb, weil damit nur jeweils eine Zeile des Textes am Bildschirm dargestellt werden kann. Ein A oder a auf dem Bildschirm erscheint auf diesem Zusatz-Display also als Punktmuster. Stell dir das als einen zusätzlichen kleinen Bildschirm vor.“

Manche Braille-Zeilen können eine Bluetooth-Verbindung herstellen und sich so mit einem Handy oder Tablett verbinden. Auf diese Weise können auch Apps mit der Braille-Zeile bedient werden.

Hier gibt es ein kurzes Video, indem eine solche Braille-Zeile vorstellt wird – für alle, die noch nie eine Braillezeile gesehen haben. Mehr Informationen zur Brailleschrift selbst hat Eva auf ihrem Blog zusammengestellt.

Die Grenze der Barrierefreheit: DRM und Formatierungen

Wenn wir allerdings über das Lesen mit mobilen Geräten reden, kommen wir auch schon wieder an die Grenze der Barrierefreiheit. Diese Grenze hat drei Buchstaben: DRM

DRM steht für „Digital Rights Management“ und ist ein Kopierschutz, der erlaubt, E-Books nur mit bestimmten Programmen zu öffnen. Leider haben die Entwickler dabei nicht an die Barrierefreiheit gedacht, wie Eva immer wieder festgestellt:

“Als Leserin quält mich am meisten der harte Kopierschutz (DRM), weil es die Wahlfreiheit des Programms bzw. des Geräts einschränkt. Ein Wasserzeichen als Schutz hingegen stellt keine Einschränkung in der Nutzung dar. Ich kann das E-Book beliebig kopieren, ja sogar in ein anderes Format konvertieren, um es z.B. entspannt im Zug auf meinem Organizer (siehe Bild auf der Startseite) lesen zu können. Durch den harten DRM (sowohl von Adobe, als auch von Amazon oder Apple) bin ich in der Wahl des Leseprogramms drastisch eingeschränkt, da das Programm ja authorisiert werden muss.”

Olivia von „Achtung Blindfisch“ ist nahezu blind und fühlt sich ebenfalls vom DRM stark eingeschränkt:


Besonders an Bibliotheken richtet auch Eva klare Forderungen für mehr Barrierefreiheit:

„Und ich erwarte von den öffentlichen Bibliotheken, dass sie deren App Onleihe auch für blinde Leser nutzbar machen oder eine App wie Legantoo oder den Voice Dream Reader (beides E-Book-Reader-Apps für blinde Nutzer) authorisieren. Derzeit ist mir das Lesen entlehnter E-Books nur am PC mit der Adobe Digital Edition möglich. Dabei kommt kein echtes Freizeit-Lese-Gefühl auf. Diesen Zustand halte ich für eine echte Benachteiligung.“

Zusätzlich ist sowohl für Braille-Zeilen als auch für Sprachausgaben wichtig, dass eine Standardformatierung bei E-Books eingehalten wird. Hier bietet sich aus barrierefreier Sicht vor allem das Format EPUB3 an, da es eine Menge an Formatierungsmöglichkeiten besitzt. Bisher hat sich dieses Format leider noch nicht durchgesetzt.

Ebooks sind Erweiterungen

Wie wir also gesehen haben, sind auch E-Books noch nicht an der perfekten Barrierefreiheit angekommen. Jedoch zu sagen, sie bieten keine Verbesserungen, zeigt einmal mehr, wie wenig sich die Verlagsbranche mit dem Thema „Barrierefreiheit“ befasst. Aus meiner Sicht gilt diese These jedoch auch für das E-Book an sich. Weitere Meilensteile beim barrierefreien Lesen werden sich wohl erst entwickeln, wenn die Verlagsbranche das elektronische Buch endlich nicht mehr als Feind betrachtet, den man ständig abwerten muss. Das E-Book ist, was es ist: eine Erweiterung zum Papierbuch mit vielen Möglichkeiten, Inhalte anders zu gestalten – für alle Lesende mit und ohne Behinderung.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei Eva und Olivia für ihre Unterstützung, ohne die, dieser Artikel nicht möglich gewesen wäre.

Beide Bloggerinnen haben schon andere Artikel zum barrierefreien Lesen geschrieben, die noch tiefere Einblicke in ihr jeweiliges Leseleben geben:

Seitenweise – “Aus meiner Feder” 

Barrierefreie Bücher – “Achtung Blindfisch”

Auch auf diesem Blog gibt es noch weitere Artikel rund um die Barrierefreiheit beim Lesen:

Digitales Lesen Barrierefreiheit bei Hörbüchern 

2 Kommentare zu E-Books und Barrierefreiheit: Zugang zur Bücherwelt

  1. Huhu,

    erst durch deinen Beitrag ist mir aufgefallen, dass ich bei meiner eigenen Biografie (als Ebook veröffentlicht), die sich gerade um das Thema Leben mit Behinderungen in Deutschland, und wo ich an Grenzen stoße, beschäftigt, keinerlei Möglichkeit hatte, Barrierefreiheit irgendwie zu beeinflussen.
    Ich habe ein paar Tabellen drin, die im Fließtext zwar angerissen werden, aber eine Bildbeschreibung zusätzlich wäre hilfreich gewesen. Die Möglichkeit gab es aber nicht.

    Und auch sonst gab es keinerlei Einstellungen diesbezüglich. Ich weiß nicht, ob es DRM-geschützt ist. Ich habe es kostenlos eingestellt, daher hoffe ich, dass es das nicht ist. Wo liegt schließlich der Sinn darin, ein geschenktes Produkt zu sichern? Und auch sonst … ich weiß nicht, welche Einstellungen alle möglich sein sollten, um Barrierefreiheit zu garantieren, aber ich habe keine einzige zur Wahl gehabt, die ich damit in Verbindung gebracht hätte.

    Einerseits zeigt mir das auf, wie blind ich selbst dafür bin, weil ich zwar selbst mehrfach behindert, aber von zumindest diesen Einschränkungen (bisher) nicht betroffen bin. (Ich hab nur ein Auge, das immer schlechter wird, also kann ich das nicht mal für die Zukunft ausschließen.) Andererseits wird uns Autoren aber auch zumindest nicht überall die Wahl gegeben, was mich jetzt, wo es mir auffällt, extrem ärgert.

    Daher … von meiner Seite aus Entschuldigung. Ich hätte bei der Wahl der Plattform besser aufpassen und mich vorher informieren sollen. Und danke fürs Augenöffnen.

    Liebe Grüße
    Britta Redweik

  2. Hey ho,

    vielen Dank für den spannenden Artikel. Ich habe selbst blinde Freunde, die ganz begeistert von eBooks sind. Eine Freundin, die früher lieber Hörbücher gehört hat, wurde so motiviert, mehr zu lesen.

    Da ich selbst bald Punktschrift lerne, erhoffe ich mir, dass mich eBooks weiterhin zum lesen motivieren. Da ist es gut zu wissen, auf welches Format ich achten muss. Anscheinend wird es hier und da doch etwas knifflig.

    viele Grüße

    Emma

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