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Eure Luxus-Strohhalme sind meine Freiheit

Mein Kaffeebecher
Heute ist es das erste Mal passiert: Ich bekam im Café keinen Strohhalm mehr. Dort, wo ich die letzten 10 Jahre immer Strohhalme bekam. „Wegen Plastik“, sagt die Kassierin, während vor ihr die eingeschweißten Plastikgabeln liegen.
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Ich war heute zur Recherche in der Unibibliothek. Für den Heimweg entschied ich mich, ganz spontan mir einen Chai-Latte mitzunehmen. Wie so oft in den letzten 10 Jahren. Erst nach dem ich den Latte bekam, fiel mir auf, dass es im Bibliotheks-Café keine Strohhalme mehr gab. „Haben wir nicht mehr. Wegen Plastik“ war die Antwort auf die Nachfrage.
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Da stand ich also an einem wirklichen miesen Tag mit meinem Rettungs-Chai und konnte mich doch nicht retten. Weil es keine Strohhalme mehr gab. Weil ich genau diese Strohhalme zum Trinken brauche.
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Oft habe ich jetzt schon selbst Strohhalme dabei. Diesmal nicht, weil ich sie erst vor kurzem aufgebraucht habe. Weil es eine spontane Entscheidung war und es ja auch immer welche gab. Ich habe mich in den letzten Wochen oft mit Menschen über die Verbannung von Strohhalmen unterhalten und fast immer war die Lösung: „Es wird schon Alternativen geben.“ – Heute gab es keine und ich glaube, so wird es in der Zukunft öfter sein. Es werden Strohhalme in den Café und Bars einfach ersatzlos wegfallen. Es wird meine Aufgabe sein, die Alternativen mitzubringen. Eine Aufgabe mehr. Eine Sache mehr, die ich planen und checken muss. Eine Sache mehr, auf die ich im Zweifelfall verzichten muss, wenn ich „meine Augabe“ mal an miesen Tagen vergesse. Wieder ein Stück Spontanität weniger in meinen Leben, das schon jetzt kaum Platz hat, um wirklich frei und spontan zu sein.
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Der Zwang von außen

Am Ende von diesem Erlebnis gibt es immer noch zwei offene Fragen:
Bin ich „die Böse“ in dieser Geschichte? Immerhin geht es um die Umwelt. Und ja: Wir Menschen haben wirklich ein Plastikproblem. Ohne Zweifel. Ich finde es nur nicht besonders fair, dass wir Menschen mit Behinderungen die einzige Gruppe sind, die von außen gezwungen werden, uns deswegen umzustellen.
Während zum Beispiel Plastikverpackungen im Supermarkt friedlich weiter existieren, weil es so schön bequem ist, ohne andere Behälter einkaufen zu gehen.

Gute Alternativen?

Tabelle über die Vor- und Nachteile der Strohhalmalternativen

by @sarahbreannep

Auf die zweite Frage möchte ich nur kurz eingehen, weil es dazu schon mehrere Artikel gibt:
Was sind eigentlich richtig gute Alternativen zum Plastikstrohhalm?
Ich benötige zum Beispiel Strohhalme, die knickbar sind. Damit sind Glas und Metal schon raus. Papier und Nudeln (ja, Nudeln!) halten keine Hitze aus. Silikon, Bambus und Co. sind teilweise nicht geschmacksneutral und teuer zudem. Wer sich über dieses Thema näher Infomieren möchte, kann bei Twitter zum Beispiel unter dem Hashtag #strawban schauen oder bei bei Raul Krauthausen weiterlesen.

Ich werde mir jetzt zuhause einen Tee machen und ihn mit einem Strohhalm aus Plastik trinken, während ich in einem Second-Hand-Shop nach Kleidern schaue. Umweltschutz braucht nämlich mehr als nur eine Lösung.

10 Kommentare zu Eure Luxus-Strohhalme sind meine Freiheit

  1. Mein Sohn braucht auch die abknickbaren Strohhalme zum Trinken.
    Er ist leider schwer krank. Ich mache jetzt Hamsterkäufe und werde mit unserern Sanitätshäusern und Pflegeberatern das Problem diskutieren. Bin überzeugt sie werden als Hilfsmittel weiter zur Verfügung bleiben, allerdings dann etwas teurer.
    Liebe Grüße

  2. Als Mensch mit einer Schwerstbehinderung muss ich sagen: Ich habe wenig Verständnis für das Gejammer wegen einer Sache, die für die ganze Welt überlebenswichtig sein wird. Du hast dich wohl bisher null damit beschäftigt, wie plastikvermüllt unsere Meere sind. Wenn das Ökosystem Meer kippt, brauchst du dir keine Gedanken mehr um Strohhalme zu machen, denn dann ist das Ende wirklich nah.

    Und wie hier jemand gesagt hat: Du bist nicht bereit, dir Alternativen zu überlegen, sondern bestehst auf deinem Status Quo bei einer Sache, die von übergeordneter Wichtigkeit ist. Ja, ich habe selbst schon erlebt, dass das Mist ist, wenn etwas wegfällt, was für einen eine Hilfe ist. Aber es gibt doch Alternativen. Einen Vorrat anlegen, bis es andere Lösungen gibt, ist eine. Ja, wenn ich bestimmte Hilfsmittel zuhause vergesse, bin ich auch aufgeschmissen. Aber Das ist dann eigene Schusseligkeit und niemand anderes Schuld und passiert einfach. Also, wo finde ich das Crowdfunding für die Entwicklung einer Alternative? Ich mache gerne mit. Aber das hier nervt nur, weil es dich nicht weiterbringt und die Umwelt auch nicht

  3. Als ehemaliger Zivi bin ich richtig wütend geworden, als ich die EU-Sache mit den Strohhalmen gelesen habe. Viele Menschen, die auf Strohhalme angewiesen sind, können diese auch gar nicht per Hand hygienisch spülen. Das sind jeden Tag 5 Minuten mehr, die der Pflegedienst aufschreibt, oder ein anderer freundlicher Geist in der Küche steht. Fahre ich mit dem Auto zur Arbeit, statt ÖPNV, damit ich am Abend noch die Zeit habe, bei erkrankten Nachbarn die Mehrwegstrohhalm zu spülen, verbrauche ich pro 5 gesparten Minuten übrigens ein großes Glas Benzin, 300 ml.
    Ein Plastikstrohhalm, oder 300 ml Benzin, die EU setzt echt Prioritäten!

  4. Und was ist für Dich eine Alternative? Weiterhin Plastikstrohhalme für alle? Oder Extra-Plastikstrohhalme für Behinderte?
    Für mich klingt es leider nur nach typischem “früher war es einfacher, also habe ich ein Anrecht, daß es auch so bleibt”. Und: Bloß weil anderes schlecht läuft, sollte das hier auch nicht verbessert werden. Sehr verbreitet und sehr unlogisch. Man könnte nämlich auch sagen: Wie furchtbar, daß bisher überall Plastikstrohhalme (und Einwegbecher und Umverpackungen usw.) existier(t)en. Oder was für ein glücklicher Zufall für Dich, daß Du jahrelang einfach überall Einwegmüll gratis zur Verfügung gestellt bekamst. Jetzt ist das Extraglück halt weggefallen, jetzt geht’s zurück zum Normalzustand: Einwegmüll gehört reduziert. Und Second-Hand oder anderer Einwegmüll schließt das nicht aus.

    (Ich kaufe mir unterwegs übrigens einfach keine Getränke. Geht auch. An einem Mangel an Spontanität leide ich deswegen nicht. Ganz im Gegenteil. Und: Du mußt es ja nicht genauso machen, aber jammern, daß notwendiger Umweltschutz nach Jahren eingeführt wird?)

    • arger Kommentar. Vorauschauende Politik, die zudem das Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft beachtet, überlegt sich schon VOR der Einführung eines solchen Verbots praxistaugliche Alternativen. Aber es ist so typisch. Erstmal Verbote aussprechen und dann daraufkommen, dass es nicht überall funktioniert. Aber jetzt betrifft es ja “nur” eine Minderheit, hat halt Pech gehabt. Selbst Schuld, wer unterwegs was trinken will. Leider ein Zeichen der aktuell nachlassenden Solidarität und Empathie für jene in der Gesellschaft, die ihr Recht auf Teilhabe auch einfordern. Und ja, es weckt definitiv ein schiefes Bild, wenn Lebensmittel und CO weiterhin in Plastik verpackt wird, und etliches nach Ladenschluss weggeworfen wird, während von der Masse her vernachlässigbare Strohhalme verboten werden.

    • Ich bin da ganz Deiner Meinung. Irgendwo muss mit Plastikvermeidung angefangen werden. Und Getränke “To go” gehen auch nicht – umwelttechnisch.

  5. Für mich klingt es nach dem klassischen: “Ich kann nicht vegan leben, weil mkr keine Ersatzmilch schmeckt.” Du willst keine Alternativen finden. Es ist nunmal Mehraufwand Gewohnheiten zu ändern und eine passende Alternative zu finden und selbst mitzubringen, anstatt alles beim Alten zu belassen.
    Und je größer die Nachfrage nach Alternativen ist, desto besser wird auch die Auswahl.

    • Rollifraeulein // November 7, 2018 um 3:35 pm // Antworten

      richtig. Es ist Mehraufwand. Mehraufwand, der uns Menschen mit Behinderung noch oben drauf gedrückt wird, ohne das wir eine Wahl haben.
      Und: “nimm doch selbst welche mit!” lässt sich super sagen, wenn man selbst ein Leben führt, in dem prinzipell alles überall vorhanden ist. “Den Lieblingsbecher vergessen? Ach,egal, dann nehme ich heute doch den vom Cafè!” – “Den Strohhalm vergessen? Tja, dann bin ich wohl die nächsten x Stunden durstig.” Merkst du den Unterschied?

  6. Man kann doch auch ohne Strohhalm trinken. Du bist doch jetzt schon ein großes Mädchen. ;-)
    Wurde mir immer gesagt als ich fünf war. Diese Regelung ist meiner Absicht nach schon sinnvoll.
    Es sollte an viel mehr echten auf Einweg Plastik verzichtet werden. Ob Einweg Papier eine passende Alternative ist, weiß ich nicht. ;)

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