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Der Ihr-Faktor: Menschen mit Sprachhandicaps begegnen

Vor einiger Zeit habe ich ja schon mal einen Artikel, darüber verfasst, worauf man im Umgang mit Menschen mit einem Sprachhandicap am besten achten sollte. Allerdings bin ich dort davon ausgegangen, dass sich die Menschen äußern können, nur eben - wie bei mir selbst - etwas verzögert oder undeutlich. Wie aber reagiert man am besten auf Menschen, die sprachlich gar nicht kommunizieren können?

ein zugeklebter Mund im Comicstil

In der Eisdiele heute saß am Nachbartisch eine Gruppe junger Menschen, bei der auch ein Rollstuhlfahrer dabei war. Es wurde relativ schnell deutlich, dass der Rollifahrer nicht sprechen konnte, weil es eigentlich die ganze Zeit Gesprächsthema war. Die eine junge Frau schien noch nicht viel Erfahrung im Umgang mit Menschen mit Behinderung zu haben und fragte den jungen Mann, der den Rollstuhlfahrer das Eis angab, Fragen wie “woher weißt du, was er mag?”.Während des ganzen Gespräches wurde aber zum Beispiel nicht einmal der Name des Rollstuhlfahrers genannt.

Bei mir rufen solche Situationen immer Beklemmungen hervor, wenn Menschen über andere anwesende Menschen sprechen, als wenn diese eben nicht da wären. Ehrlich gesagt, kann ich nicht beurteilen, wie viel der junge Mann im Rollstuhl davon mitbekommen hat, aber alleine die Vorstellung, dass er es mitbekommt, ohne das ausdrücken zu können, finde ich grausam.

Auf der anderen Seite verstehe ich, dass es für andere Leute sehr schwierig ist, Menschen, mit denen man nicht kommunizieren kann, trotzdem mit einzubinden. Auch ich wusste schon ein paar Mal nicht genau, wie ich mich in solchen Situation verhalten soll.

Auf dem Rückweg haben meine Assistentin und ich überlegt, wie man das Problem lösen kann. Unser erster Gedanke war, dass man auf jeden Fall den Namen verwenden könnte, anstelle des sehr distanzierten “Er/Sie” oder vielleicht sogar “Der/Die”. Aber auch wenn man den Namen verwendet, bleibt die Tatsache, dass man immer noch über einen Menschen redet, ohne ihn dabei einzubeziehen. Die Lösung, auf die wir dann gekommen sind, findet ich sowohl einfach als auch sehr passend: Das Wort “Ihr” verwenden!

Also anstelle der Frage “Wie machst du das mit ihm/ihr?” einfach fragen “Wie macht ihr das?”. Damit wird klar, dass die Frage mehr als eine Person einbezieht, aber antworten kann ja so oder so nur einer zur gleichen Zeit. Auf diese Weise nimmt das Gespräch dann automatisch einen natürlicheren Verlauf.

Die Ihr- Formel kann auch eine gute Lösung für alle sein, die sich unsicher fühlen bei der Begegnung mit Menschen mit Behinderung und nicht genau wissen, ob sie lieber die Begleitperson ansprechen sollen. “Ihr” wirkt auf jeden Fall sympathischer und lässt dann den Angesprochenen die Wahl, wer am besten antwortet.

Ich bin auf jeden Fall für mehr Begegnungen mit dem Ihr-Faktor!

 

 

1 Kommentar zu Der Ihr-Faktor: Menschen mit Sprachhandicaps begegnen

  1. Finde ich eine sehr gute Idee, einfach schon mal “Ihr” zu sagen, statt über jemandes Kopfes zu reden. Was ich auch getan habe, als ich es mit Menschen im Wachkoma – bzw. mit ähnlich extremen Umständen – zu tun hatte, war, dass ich ihnen im Gespräch mit einem Dritten immer wieder direkt erklärt habe, was wir warum gerade über sie sprechen. Auch wenn sie es vielleicht nicht mitbekommen haben (wer will das schon wissen) spüren sie sicher die direkte Ansprache. Ich mag es nicht mal bei Babys und meinem Hund, wenn in ihrer Gegenwart über sie gesprochen wird, als wären sie Dinge. Wie viel wichtiger ist es dann bei einem Kind oder einem Erwachsenem! Respekt ist die Grundlage von Allem, und Respekt verdienen in insbesondere Menschen, die sich nicht wehren können.

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