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Toiletten für alle: Barrierefreie Toiletten ohne Barrieren.

ich gehe so gut wie nie unterwegs auf Toiletten, weil ich einfach keine Möglichkeit dazu habe. Aus diesem Grund werde ich hier mal ein Geheimnis lüften, an das wahrscheinlich die wenigsten Leute überhaupt schon mal gedacht haben: Was macht Frau, wenn sie NICHT auf Toilette gehen kann?

 

 geräumige Toilette mit Liege und Lifter

So könnte eine Toilette aussehen, die wirklich barrierefrei ist. /  www.toiletten-fuer-alle.de/

 

 

Aber bevor ich dieses sagenumworbene Geheimnis lüfte, erstmal noch ein paar Worte, warum die Situation so ist, wie sie ist. Schließlich gibt es doch schon fast überall eine scheinbare Lösung: Barrierefreie Toiletten. Öffentliche Gebäude müssen sie haben, immer mehr Restaurants und Cafes haben dankenswerter Weise auch eine. Sie sind groß, haben Haltegriffe, Notknöpfe und unterfahrbare Waschbecken. Die Welt ist könnte so flauschig sein. Ist sie aber eben leider doch nicht. Zumindest nicht für jemanden wie mich, der nicht selbständig von Rollstuhl auf die Toilette wechseln kann oder zumindest selbständig stehen kann.

Wenn du nicht stehen kannst, musst du liegen

Nicht dass wir uns falsch verstehen: Größe, Haltegriffe, Waschbecken sind alles wichtige Sachen, die für viele Rollstuhlfahrer reichen, aber eben nicht für alle. Wenn du nicht stehen,oder zumindest dich anheben kannst, um deine Hose oder deinen Rock runterzuziehen, musst du dich hinlegen, um diese Dinge zu erledigen. Wenn es aber dazu keine Möglichkeit gibt, nützt dir auch die größte Toilette mit den besten Haltegriffen rein gar nichts.
Natürlich gibt es Menschen, die genug Kraft haben, um Rollstuhlfahrer wie mich mit der einen Hand festzuhalten und mit der anderen Hand die Sachen hoch- oder runter zuziehen. Aber diese Menschen sind sehr rar und auch sie haben kein unkaputtbaren Rücken. Der Alltag sieht also anders aus.

Die beste Lösung wäre natürlich immer mit zwei Assistenten unterwegs zu sein, damit der eine mich halten und der andere die Klamotten regeln kann. Diese Lösung hat aber einen großen Haken in der Realität: es bedeutet nicht nur doppelter Stundenverbrauch, was sowieso kein Amt bezahlt. Es bedeutet auch doppelter Eintritt, doppelte Fahrkarte, mehr Hotelzimmer, also ein erheblicher geldlicher Mehraufwand, den sich kaum jemand leisten kann. Ich zumindest auf keinen Fall. Um trotzdem nicht nur zuhause zu sitzen, muss also eine andere Lösung her und die heißt in meinen Fall: Ich gehe einfach nicht auf Toilette.

Einfach, skurril und gesundheitsgefährend: ich gehe einfach nicht auf die Toilette

Es ist wirklich so einfach wie skurril und letztlich auch stark gesundheitsgefährdend: Ich gehe einfach nicht auf die Toilette. Dass dies überhaupt möglich ist, ist einen jahrelangen harten Training zu verdanken, indem ich einfach  zuhause auch nicht auf die Toilette gegangen bin und so lange wie möglich ausgehalten habe. Mittlerweile habe ich zumindest meine Blase so gut unter Kontrolle, dass ich mit Glück bis zu 24 Std aushalten kann und trotzdem dabei noch irgendwie funktioniere.

Aber selbst das beste Training nützt nichts, wenn man dabei nicht seine Flüssigkeitszufuhr auf ein Minimum beschränkt. Je nachdem wo und wie lange ich unterwegs bin, wird nur getrunken, wenn ich wirklich starken Durst habe. Das heißt ganz klar und direkt: ich bin ständig am Rand der Austrocknung und schade so mit meinen Nieren und meinen ganzen Körper. Das ist mir bewusst und darüber habe ich auch schon zahllose Diskussionen mit Eltern, Lehrern, Assistenten und Freunden geführt. Aber allen guten Zureden zum Trotz, letztlich bin ich diejenige, die mit der vollen Blase leben muss – und ich bin auch diejenige, die damit klar kommen muss, wenn es daneben geht. Es gibt zwar viele unschöne Situationen, wenn man im Rollstuhl ist, aber keine ist schlimmer als diese: Man macht sich in die Hose, obwohl 20 m weiter ein Klo wäre.

Aber auch ich werde älter und weiser, deswegen habe ich mit mir selbst eine Abmachung getroffen: Ich halte nur noch 6- 10 Stunden aus, wenn ich aber weiß, dass ich auf jeden Fall länger unterwegs bin, ziehe ich eine Windel an. Das ist weder bequem, noch ästhetisch und man fühlt sich auf gar keinen Fall in irgendeine Weise schön. Aber es schont meine Nerven und meinen Körper und gibt mir eine gewisse Art von Freiheit.

Der heilige Gral: Toiletten für alle

Warum ich euch all diese Dinge erzähle, die ich sonst nicht mal meinen besten Freunden berichte?
ich wollte erreichen, dass ihr nachvollziehen könnt, wie sehr das Projekt „Toiletten für alle“ mein Leben einfacher und gesünder und schöner machen könnte. Und dass es sich in keiner Form um Luxus handelt, auch wenn es im ersten Augenblick für einen Ausstehenden so klingen mag.

„Toiletten für alle“ ist ein Projekt, dass barrierefreie Toiletten noch weiter ausstatten will, so dass sie für alle nutzbar sind.

Eine „Toilette für alle“ weist zusätzlich zu den Anforderungen
für eine barrierefreie Toilette nach DIN-Norm 18040
folgende Merkmale auf:

Raumgröße von ca. 12 Quadratmetern
Höhenverstellbare Liege (mindestens 180 x 90 cm) mit
abklappbarem Seitengitter
Decken- oder Standlifter zum sicheren Transfer vom
Rollstuhl auf die Liege oder Toilette und zurück
Luftdicht verschließbarer Abfallbehälter

In öffentlich zugänglichen Gebäuden, Kultur- und Freizeitstätten,
Einkaufszentren oder Bahnhöfen sollen zukünftig
„Toiletten für alle“ entstehen.

In Bayern wurden schon solche Toiletten errichtet, zum Beispiel am Flughafen in München. Baden Würtemberg will auch bald nachrüsten lassen.

Mein großer Wunsch ist es, dass dieses Projekt bundesweit bekannt und umgesetzt wird  – und dass immer mehr Menschen verstehen, wie dringend das nötig ist, obwohl es schon überall barrierefreie Toiletten gibt. Nur wenn man diese Toiletten benutzen kann, ist man wirklich frei.

Noch mehr Infos zum Projekt gibt es hier: Toiletten für alle

8 Kommentare zu Toiletten für alle: Barrierefreie Toiletten ohne Barrieren.

  1. Max Schneider // März 8, 2018 um 1:16 pm // Antworten

    “Toilette für Alle“ ist auch nicht wirklich richtig, weil diese ja “für alle“ außer Nichtbehinderte ist.

    Gut, dass Behindertentoiletten meist abgeschlossen sind (und man dafür einen Euroschlüssel braucht), dagegen ist nichts einzuwenden, sonst wären sie ja für die die sie brauchen unbenutzbar (weil zu dreckig, Vandalismus, oder schlicht und einfach“immer besetzt“), aber das Ganze dann “Toilette für Alle“ zu nennen ist doch irgendwie falsch…sie erweitert zwar den Nutzerkreis, aber gewollt nur in einem bestimmten Rahmen. Wäre sie wirklich “für Alle“ (also auch alle Nichtbehinderten) dann wäre das kontraproduktiv. Aber wieso wird das dann so genannt?

    Ein Behindertenparkplatz heißt aus gutem Grund auch nicht “Parkplatz für Alle“, weil er eben genau dies nicht ist und nicht sein sollte, sonst könnte er seine Funktion nie und nimmer wahrnehmen.

  2. Aber solange irgendwelche Idioten selbst die „zerstoerungsfreien“ Toiletten beschmieren, zwekratzen und anderweitig sabotieren (oder auch „nur“ unnoetig verschmutzen), sind solche Toiletten wie die hier vorgestellten im oeffentlichen Raum leider nicht machbar.

    Leider ist das so und es ist traurig wen ich mir hier bei mir im Ort die Toiletten anschauen dann frage ich mich was in den Köpfen der Leute vor sich geht. Dass man so respektlos alles zerstört und beschmiert. Ich hoffe es aber trotzdem das es bald solche Toiletten im reichlichen Umfang geben wird. lg

  3. das mit der Liege hatte ich so auch nicht auf dem Schirm…

    Aber solange irgendwelche Idioten selbst die “zerstoerungsfreien” Toiletten beschmieren, zwekratzen und anderweitig sabotieren (oder auch “nur” unnoetig verschmutzen), sind solche Toiletten wie die hier vorgestellten im oeffentlichen Raum leider nicht machbar – oder willst Du alle zwei Wochen das ganze durchrenovieren muessen?

    Ja, es klingt nach einer Art Kapitulation, aber die sog. “Gesellschaft” ist nunmal so (sorry fuer das Wort) scheisse – wie passened zum Thema :(

  4. Wenn ich mir da so manch andere Länder ansehe, dann ist die behindertengerechte Gestaltung der Toiletten dort wesentlich selbstverständlicher. Deutschland sollte da deutlich etwas ändern.

  5. Um ehrlich zu sein habe ich das mit der Liege immer noch nicht ganz verstanden, aber es ist mir jetzt klar, wie schwer das Thema Klo für Rollstuhlfahrer sein muss. Wirklich eine Schande, dass Deutschland da so hinterher ist!

  6. Eine Frechheit, dass barrierefreie Toiletten nicht überall Pflicht sind. Es tut mir echt leid, wenn ich deinen Artikel lese und macht mich extrem wütend. Schön, wie schonungslos ehrlich du bist!

  7. In Mainz im Müller gibt es eine Liege in der Toilette und ich muss gestehen, dass ich mich immer gewundert habe wieso. Denn soweit habe selbst ich noch nie gedacht.
    Aber Lifter habe ich bis jetzt noch keine gesehen.

  8. Interessanter Artikel. Und natürlich ist die Forderung nach einer Behinderten-Toilette berechtigt, die auch von Rollstuhlfahrern benutzt werden kann, die nicht zu stehen vermögen.

    Bei Neubauten läßt sich diese Forderung umsetzen, in dem die Planungsvorgaben geändert werden. Aber schon bestehende Behinderten-Toiletten entsprechend umzubauen ist teuer, wenn der Platz für eine höhenverstellbare Liege nicht da ist. Bisherige Standardlösungen für Behinderten-Toiletten kommen mit weniger als 4 m² aus. Da sind die anvisierten 12 m² eine Herausforderung, die von anderen Räumen oder gar von Verkehrsflächen abgeknapst werden müssen, was entsprechende Bau- und Planungskosten nach sich zieht. Ein erhöhter Geldbedarf geht in aller Regel aber auch mit längeren Übergangsfristen einher, um die Eigentümer finanziell nicht zu überfordern. Da wird man in Dekaden rechnen müssen.

    Um vergleichsweise schnell helfen zu können, wäre zu überlegen, ob man nicht eine Art Tragegurt / Schlaufengurt, der an der Decke befestigt ist, installieren könnte. In diesen Gurt werden die Arme des Behinderten gesteckt. Der Assistent kann nun den behinderten Menschen relativ rückenschonend vom Rollstuhl anheben und ihn nach Runterziehen der Hose auf die Toilette setzen und umgekehrt.

    Zugegeben, der Vorschlag ist keine End- sondern nur eine Zwischenlösung. Aber er ermöglicht schwer gehbehinderten Menschen zeitnah eine Verbesserung ihrer Lebensqualität. Auf die flächendeckende Umsetzung einer “Toilette für alle” wird man hingegen noch lange warten müssen.

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