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#inklusion2025 – Blogparade : Die Braut, die sich trauen darf

Die Aktion Mensch fragt: Wie sieht die Inklusion im Jahr 2025 aus?

Die Aktion Mensch fragt: Wie sieht die Inklusion im Jahr 2025 aus?

  Der 21.06.2025 ist der längste Tag des Jahres und es ist der erste Samstag in meinem Leben, an dem ich freiwillig und sogar ausgesprochen gerne um Punkt 6 Uhr aufstehe. Wie an jeden anderen Tag greife ich auch erst zu meinem kleinen Projektor und lasse mir meine Emails und eine Übersicht der wichtigen Geschehnisse der letzten Stunden im Internet als Hologramm projizieren. Jedoch lässt mich meine Konzentration heute ziemlich im Stich. Ich bin einfach viel zu aufgeregt, um angemessen auf die vielen Geschäftsemails reagieren zu können. Also gebe ich nach ein paar Minuten auf und greife nach der kleinen Fernbedienung neben mir. Mit dieser Fernbedienung wecke ich Hodor. Hodor ist ein P.I.R - ein sogenannter Personal Incluse Robot, mit dem wir seit knapp drei Jahren zusammen wohnen.

Vor ungefähr 5 Jahren trat endlich das große Inklusionsgesetz im Kraft, das nicht nur dafür sorgte, dass endlich die Einkommensgrenze für Menschen, die auf Assistenz angewiesen sind, in eine prozentuale Abgabe des Arbeitslohns umgewandelt wurde, dessen Prozentsatz aber niemals die 20% übersteigen darf. Das gleiche gilt für Ehepartnern. Das Gehalt von Lebensgefährten darf nur in Ausnahmefällen belastet werden.  Zusätzlich wurde festgelegt, dass jeder, der Assistenz benötigt, zusätzlich ein Recht auf einen P.I.R hat.

Am Anfang habe stand ich Hodor ziemlich skeptisch gegenüber. Es fühlte sich ziemlich komisch an, sich von einen Roboter heben zu lassen, ein bisschen als wäre man eine Konservendose in einer Fabrik. Jetzt kann ich mir einen Tag ohne Hodor, der seinen Namen einer alten TVserie verdankt, nicht mehr vorstellen. Schließlich ist es eine riesiges Stück Selbständigkeit, das Bett verlassen zu können, wann immer man es will. Gerade an diesem Tag, an dem ich traditionell alleine in unseren Bett geschlafen habe und an dem jede Sekunde zählt.

Trotzdem bin ich heilfroh als ein paar Minuten später die Mädels auftauchen. Auch wenn ich Hodor sehr schätze, ein Gespür für Frisuren und Make up lässt sich schwer programmieren. Außerdem glaube ich, dass mein heutiger Kleiderwunsch selbst einen Roboter überfordern würde.

Zwei Stunden später stecke in einen 3.000 Euro teuren Traum aus Spitze und Stickerreien. Das Kleid, das von einer Designerin im Rollstuhl entworfen wurde, passt sich genau den Konturen meines Hochzeitsrollstuhl an, so dass nichts in den Rädern hängen bleibt.

Das Kleid ist meine letzte persönliche Rebellion gegen die 2.600 Vermögensgrenze, die zu lange herrschte. Der mietbare Hochzeitsrollstuhl ist eines der Highlight, die meine Geschäftspartnerin und ich in unserer „HandicapStyle“-Boutique neben einer Abteilung für “inklusive Literatur” und  100 verschiedenen anderen „Lifehacks“-Gadgets für verschiedene Hilfsmittel anbieten, um sie praktischer und schöner zu machen, oder um sie einfach zu personalisieren. Ich persönlich habe mich für die traditionelle Variante des Hochzeitsrolllstuhls entschieden, in weiß und mit Tüll und Rosen geschmückt.

Ebenso traditionell ist auch die Hochzeitskutsche mit ihren weißen Pferden. Aber auch sie kann ich bequem über eine mobile, anlegbare Rampe erreichen. Noch ein Punkt, der durch das Inkusionsgesetz geregelt wurde. Alle Transportmittel müssen eine barrierefreien Einstieg gewährleisten. Bei allen Arten von Bus und Bahnen muss eine ständige Rampe integriert sein, bei Transportmittel, die keine Rampe integrieren können, muss die Möglichkeit einer mobilen Rampe gegeben sein.

In der Location warten schon alle unsere Gäste, zu denen nicht nur unsere Freunde und Familie gehören, sondern auch meine Sacharbeiter der Krankenkasse und des Sozialamtes, die ich persönlich kenne, weil Sie mich per Gesetz am Anfang ihrer Zeit drei Tage durch meinen Alltag begleiten mussten, um ihre Entscheidungen besser einschätzen zu können. Außerdem werden auch meine Schulpatenkinder mit ihren Familien dabei sein. Seit einen Jahr engagierte ich mich in einen Programm, indem Unternehmer Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen aus Gesamtschulen eine Zeit lang begleiten,um Ihnen persönliche Fähigkeiten und Möglichkeiten aufzeigen und fördern.

Dann öffnet sich endlich die Tür und ich bin genau das, was ich  in diesem Moment sein will: eine Braut.

Eine Braut, die ihrem Moment geniessen kann und nicht überlegen muss, ob sie  „Ja, ich will.“ überhaupt wollen darf.

2 Kommentare zu #inklusion2025 – Blogparade : Die Braut, die sich trauen darf

  1. Hallo Tanja, herzlichen Glückwunsch zur Hochzeit! Auch ich habe heuer geheiratet, mein Mann hat Multiple Sklerose und sitzt im Rollstuhl. Unsere Hochzeitsreise ging nach Gran Canaria, was punkto Barrierefreiheit nur zu empfehlen ist. Mir gefällt dein Blog supergut, bin durch Zufall hier gelandet und werde öfter vorbeischauen. Vielleicht magst du mich ja auch mal besuchen, bei mir gehts um Nageldesign, Thriller und Metal :-)

    • nur um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen – ich hab noch nicht geheiratet. War ja ein Zukunfstext für die inklusion :) Aber danke für das positive Feedback, ich werd auf jedenfall vorbeischauen.

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